Aufs falsche Kabelende geschaut: EU fordert einheitliche Ladegeräte
Das Thema Universal-Ladegerät ist wieder auf dem Tisch. Nachdem die 2011 verabschiedete Selbstverpflichtung der Hersteller ausläuft, nimmt jetzt die EU das Zepter in die Hand. Das Europaparlament hat einen Gesetzentwurf für ein einheitliches Ladegerät für Mobiltelefone verabschiedet, die geplante Regelung könnte auch auf Tablets ausgeweitet werden. Was auf den ersten Blick durchaus vernünftig klingt, lässt bei genauerem Hinsehen allerdings nicht nur Sachverstand, sondern auch ein gewisses Maß an Vernunft missen.
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Denken wir einmal zurück an die Zeit vor dem iPhone. Damals hatten nicht nur die Hersteller unterschiedliche Ladeanschlüsse sondern beinahe jede Mobiltelefon brachte mit einer überarbeiteten Version auch ein neues, nur mit diesem einen Modell kompatibles Netzgerät mit. Seit 2007 hat sich mit dem Boom der Smartphones hier einiges getan. Nicht nur Apple, sondern auch andere Hersteller nutzen den klassischen USB-Anschluss für das Laden und Synchronisieren ihrer Mobiltelefone und Tablets. Weitgehend uneinheitlich ist dagegen in der Tat der Anschlussstecker am Mobilgerät selbst. Neben Apples veraltetem 30-Pin-Anschluss und Lightning findet hier vor allem Mikro-USB verbreitet Verwendung.
Die EU-Politiker argumentieren nun, dass sie „unnötigen Abfall sowie Kosten verringern“ wollen und lenken die Diskussion in Richtung eines einheitlichen Ladegeräts mit Mikro-USB-Anschluss. Die Konsequenz einer solchen Regelung wäre, dass Apple seine Produkte in Europa ohne technische Änderungen nicht mehr auf den Markt bringen darf. Schwer vorstellbar, aber wir sollten die Bürokraten in Brüssel nicht unterschätzen – also nehmen wir doch unabhängig von den Auswirkungen auf Apple einmal den Effekt einer solchen Regelung unter die Lupe.
USB lädt bereits alles
Neben Apple liefern ja heute diverse weitere Hersteller bereits „Universal-Ladegeräte“ aus. Der einzige Unterschied: Diese Geräte sind mit einem großen USB-Port statt einem Mikro-USB-Stecker ausgestattet. Mit einem entsprechenden Adapterkabel kann man so sein iPhone am Kindle-Netzteil und das Samsung-Tablet am iPad-Adapter laden – egal, wie der Stecker auf Geräteseite aussieht und welche Zusatzfunktionen durch alternative Steckverbindungen ermöglicht werden.
Über diese Kompatibilität untereinander hinaus hat das schlichte USB-Netzteil noch den Vorteil, dass sich diverse weitere Geräte darüber mit Strom versorgen lassen. Werft mal einen Blick auf die diversen Sport-, Fitness- und Outdoor-Produkte, die ihrerseits teils proprietäre Dockingstationen benötigen, allesamt aber per Standard-USB aufgeladen mit einem Computer verbunden werden können. Ebenso hat sich die USB-Buchse in vielen Autos oder an Stereoanlagen und Soundsystemen etabliert und agiert dort nicht nur als Bindeglied für die Musikwiedergabe, sondern auch als toleranter Lieferant von Ladestrom.
Somit fragen wir uns, ob die EU-Abgeordneten hier tatsächlich nur das Wohl aller Mitgliedsstaaten im Kopf haben, oder nicht vielleicht der eine oder andere abstimmende Parlamentarier auch einen kleinen Seitenhieb in Richtung Apple verteilen will. Eine Richtlinie, die die „große“ USB-A-Buchse als Standard für Netzteile definiert, wäre im Endeffekt nämlich nicht nur wesentlich anwender-, sondern mit Blick auf die bestehenden Standards wohl auch deutlich umweltfreundlicher und ließe sich zudem vermutlich schnell und unkompliziert durchsetzen.