Telekom-Drossel: Obermann reagiert auf Rösler-Brief
Mit einem offenen Brief an den Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, hat der Vorstandsvorsitzende der Telekom, René Obermann, jetzt auf das Schreiben Philipp Röslers reagiert und weist, der Sprachregelung der Telekom PR-Abteilung folgenden, erneut alle Vorwürfe gegen die geplante Abschaffung der Telekom DSL-Flatrates von sich.
Das auf den 25. April datierte Schreiben wurde erst heute öffentlich und folgt dem „Lieschen Müller“-Vergleich des Telekomsprechers Philipp Blank damit auf den Fuß. Blank hatte den Plan der Telekom in einem vom Deutschlandfunk ausgestrahlten Hörfunk-Interview mit der Kalkulation eines “All you can eat”-Restaurants gleichgesetzt (ifun.de berichtete).
Auch Obermann versucht die Diskussion nun erneut auf die von der Telekom ausgemachten „Extremnutzer“ zu konzentrieren, ein Schritt der wohl vor allem die irritierten Bestandskunden besänftigen soll.
[…] Um aber auch den drei Prozent Extremnutzern nach Erreichen ihrer Inklusiv-Volumen ein schnelles Netz zu ermöglichen, werden wir – wie im Mobilfunk üblich – Angebote machen, die sowohl mehr Volumen als auch hohe Geschwindigkeit enthalten.
Orientiert man sich an den vor einer Woche veröffentlichten Drossel-Grenzen der Telekom, gelten als Extremnutzer bereits all jene Kunden, die nur 200GB durch ihren 50Mbit/s-Anschluss schicken.
Eine Marke, die bereits mit einem monatlichen Festplattenbackup bei Web-Diensten wie Backblaze locker überschritten wäre.
Oder, anders formuliert: Wer seine seine 250GB große MacBook SSD einmal im Monat in eine Sicherungs-Datei schreibt und anschließend den Upload anwirft um auch nach eine möglichen Wohnungsbrand nicht ohne Backup dazustehen, wird bei der Telekom zukünftig auf ein Schneckentempo gedrosselt. Und das, ohne auch nur einen Tatort, einen BitTorrent-Download oder eine 2GB iPhone-App geladen bzw. ohne auch nur einen Online-Radio Stream gehört zu haben.
Obermanns Brief im Wortlauf:
Sehr geehrter Herr Minister,
vielen Dank für Ihr Schreiben, dessen Inhalt leider zeitgleich den Weg in die Medien fand. Ich wünschte, wir hätten vorher sprechen können.
Uns ist sehr an einer Versachlichung dieser emotional geführten Debatte gelegen, der Sie sich offensichtlich ebenfalls nicht entziehen können. Wir teilen bekanntlich Ihre Auffassung, dass die Netzneutralität im Sinne einer diskriminierungsfreien Behandlung aller Internetdienste gewahrt bleiben muss.Wie Sie, wollen auch wir das freie und offene Internet. Und wir handeln entsprechend. Aber leider werden in der jetzigen Debatte Begriffe wie Netzneutralität und Sicherstellung von Wettbewerb dahingehend missbraucht, einen Flatrate-Anspruch auf unbegrenztes Datenvolumen im Internet zu zementieren.
Bei der immensen Steigerung der Verkehrsmengen und der immer größeren Leistungsanforderung an die Netze wird das aber dauerhaft nicht funktionieren, jedenfalls nicht, solange die nötigen Milliardeninvestitionen und der Betrieb der Netze privatwirtschaftlich zu erbringen sind.
Wir stehen im harten Wettbewerb, wollen unsere Kundinnen und Kunden auch künftig fair behandeln und ihnen preiswerte Angebote machen. Deshalb kann es uns mit der für 2016 geplanten Vorgehensweise auch gelingen, für ca. 97 Prozent der Kunden die Preise stabil zu halten. Folglich wären nach heutigem Stand von dieser vorgesehenen Preisänderung nur ca. drei Prozent der Kunden betroffen.
Diese drei Prozent nutzen in unserem Netz 10-20 Mal größere Datenmengen als ein durchschnittlicher Kunde, der ca. 15 – 20 Gigabyte/Monat verbraucht. Die Alternative wäre eine Preiserhöhung für alle Kunden, die in unseren Augen weder klug noch gerecht wäre. Um aber auch den drei Prozent Extremnutzern nach Erreichen ihrer Inklusiv-Volumen ein schnelles Netz zu ermöglichen, werden wir – wie im Mobilfunk üblich – Angebote machen, die sowohl mehr Volumen als auch hohe Geschwindigkeit enthalten.
Es geht aktuell in 2013 übrigens nur um eine Änderung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen neuer Verträge. Die technische Begrenzung bzw. die Aufpreisangebote wollen wir, wie schon erwähnt, nicht vor 2016 umsetzen. Aufgrund gesetzlicher Regelungen gibt es lange Vorlaufzeiten zur Änderung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen.
Die in Ihrem Schreiben implizit erhobenen Vorwürfe, es könnte zu Verstößen gegen die Netzneutralität und Wettbewerbsvorschriften kommen, sind nicht zutreffend. Die Internetdienste der Telekom, wie Videoload.de, Telekom-Cloud und andere, werden ebenso in das individuell verfügbare Volumen eingerechnet wie die Dienste von Wettbewerbern, wie beispielsweise Google oder Amazon.
Die Argumentation, dass unsere Fernsehplattform „Entertain“ bevorzugt behan- delt wird, stimmt ebenfalls nicht. „Entertain“ nutzt zwar IP-Technologie, ist aber gerade kein typischer Internetdienst, sondern eine von den deutschen Landesmedienanstalten durchregulierte separate Fernseh- und Medienplattform, für die unsere Kunden ein entsprechendes Zusatzentgelt bezahlen. Wir hatten über diese Preisanpassung auch Ihr Ministerium informiert. Ein Termin auf Arbeitsebene ist darüber hinaus für morgen vorgesehen.
Ebenso erfolgte eine erste Information der Bundesnetzagentur schon in der vergangenen Woche, wir werden diesen Dialog fortsetzen. Sehr geehrter Herr Minister, ich hoffe, ich konnte zu einer differenzierteren Sicht beitragen. Für ein kurzfristiges Telefonat stehe ich Ihnen nach wie vor gerne zur Verfügung. Ich darf schon jetzt um Ihr Verständnis bitten, dass wir diesen Brief veröffentlichen werden.