Irrelevanz oder Renaissance
Apple TV+: Kino-Offensive soll neue Abonnenten locken
A.O. Scott, seit über 20 Jahren als Chef-Film-Kritiker bei der New York Times angestellt, hat sich in der vergangenen Woche mit einem großen Knall verabschiedet. Im direkten Vergleich mit der magischen Vielfalt der späten 1990er-Jahre hätte das Kinoerlebnis Anfang der 2020er seinegroße Teile seiner Magie verloren und könnte auf Kritiker wie ihn verzichten, denen immer auch daran gelegen sei, Leser aus ihrer Komfortzone hin zu neuen Entdeckungen zu führen und zu Kinoerfahrungen zu motivieren, die ein gewisses Maß an Überwindung voraussetzen.
Der gemeinsame Kinobesuch: Ein immer selteneres Erlebnis
Marvellisierung verschreckt Kritiker
In den vergangenen Jahren hätten sich die großen Player im Geschäft zunehmend auf sichere Franchise-Produktionen versteift und würden mit der Marvellisierung des Kinos eigentlich keine Kritiker mehr benötigen. Zudem würde die durchgängige Verfügbarkeit der Titel in den Katalogen einschlägiger Streaming-Dienste das Kinoerlebnis seiner Flüchtigkeit und Dringlichkeit berauben, die in vergangenen Jahrzehnten häufiger für spontane Kinobesuche sorgte.
Heutzutage, wo neue Prestige-Filme wie „The Irishman“, „Extraction“ und „Murder Mystery“ nicht nur immer öfter auf Netflix starten, sondern auch dauerhaft auf Netflix verfügbar sind, können diese von potenziellen Zuschauern locker über Monate hinweg aufgeschoben werden, ohne sich mit der Sorge auseinandersetzen zu müssen, die Kinoaufführung eines neuen Spielfilms verpassen zu können.
Apple wettet aufs Kino
A.O. Scott hat sich abgemeldet – zum falschen Zeitpunkt? Für Apple nämlich soll das Kinoerlebnis fortan wieder eine größere Rolle spielen. Um filminteressierte Anwender für den hauseigenen Video-Streaming-Dienst Apple TV+ zu begeistern plant Apple mehrere Film-Highlights auch auf die große Leinwand zu bringen. Martin Scorseses „Killers of the Flower Moon“ mit Leonardo DiCaprio soll dazugehören und Ridley Scotts Napoleon.
Insgesamt soll Apple vorhaben über tausend Lichtspielhäuser für Zeiträume von jeweils einem Monat bespielen zu wollen und soll dafür Investitionen von einer Milliarde US-Dollar jährlich eingeplant haben.