Den Freunden zum Warten raten
Aha-Erlebnis: Komplette MacBook-Familie derzeit „unkaufbar“
Als Apple am vergangenen Freitag den Start des Reparaturprogramms für die fehleranfälligen Tastaturen der eigenen MacBook-Modelle bekannt gab, fühlten wir uns erst mal bestätigt.
Staubkorn rechts unten verhindert den Druck
Im Laufe der vergangenen Jahre mussten wir so häufig über die fast immer gleichen Probleme mit den dünnen Butterfly-Tasten berichten, dass wir immer weniger Sympathien für Apples Reparatur-Politik hegten. Obwohl die sozialen Netze, Blogs und Apple-Webseite mittlerweile voll von identischen Nutzerberichten waren, veranschlagte Cupertino nach wie vor hohe Reparaturkosten und sorgte mit den langwierigen Service-Eingriffen dafür, dass Nutzer mitunter länger als eine Woche auf ihre Rechner verzichten musste.
Wie gesagt: Die Nachricht, dass Apple nun endlich ein Serviceprogramm für seine Tastaturen anbot und bereits betroffenen Kunden zusicherte, die gezahlten Reparaturgebühren zurück zu erstatten, fühlte sich vor allem gerecht an.
Nach dem Lesen der Meldung, die der Konzern am späten Freitagabend deutscher Zeit veröffentlichte und so wenig souverän versuchte, dem medialen Nachspiel zu entgehen, schlugen wir mit der flachen Hand auf den Schreibtisch, hatten unseren „I told you so“-Moment und setzten uns erst mal nicht weiter mit den Implikationen auseinander, die Apples Eingeständnis für die komplette Laptop-Familie des Unternehmens haben sollte.
Apple hatte sein letztes PR Eigentor, die heimlich eingeführte iPhone-Bremse, gerade erst mit Ach und Krach überstanden. Mit schadenfrohen Kommentaren, zum Tastatur-Eingeständnis Cupertinos, wäre niemandem geholfen. Unterm Strich gab es mit den Gratis-Reparaturen ja auch eine frohe Botschaft zu vermelden.
Komplette MacBook-Familie „unkaufbar“
Gestern Abend auf dem Weg zum Thai hatten wir dann unser Aha-Erlebnis: Momentan ist Apples komplette MacBook-Familie „unkaufbar“.
Schaut man sich die Voraussetzungen des Serviceprogramms genauer an, dann fällt auf, dass alle Gerätemodelle des Unternehmens seit dem Retina-MacBook von 2015 betroffen sind. Die Info-Seite Cupertino verzichtet (ganz unüblich) zudem auch auf das hinlänglich bekannte Formular zum Eingeben einer Seriennummer und zum Prüfen der Reparaturberechtigung.
Dies lässt darauf schließen, dass nicht nur spezielle Baureihen, Chargen oder Jahrgänge betroffen sind, sondern dass alle Anwender grundsätzlich zum Opfer der unzuverlässigen Tastatur werden können.
10% sind knapp 5 Mio. Geräte
Kurz gerechnet: Seit April 2015 (dem Verkaufsstart des MacBook Pro) hat Apple stets zwischen 4 und 5,5 Mio. Macs verkauft. Nehmen wir an, dass Apple im Quartals-Schnitt rund 3,8 Mio. tragbare Rechnern absetzen konnte. Seit dem Frühjahr 2015 sind 12 Vierteljahre ins Land gestrichen. Macht 45,6 Mio. MacBooks. Laut Apple ist nur ein „geringer Prozentsatz“ betroffen. Bei 10% kommen wir so auf knapp 5 Millionen defekter Tastaturen…
Apple bietet derzeit ein Reparaturprogramm an, das für fast alle Rechner gilt, die der Konzern gerade in seinen Filial-Geschäften verkauft. Man könnte es auch so formulieren: Cupertino hat ein Serienfehler eingestanden, von dem offenbar alle neuen Geräte bis auf das MacBook Air und das MacBook Pro 2015 15″ betroffen sind. Wow!
Diese Geräte sind qualifiziert
- MacBook (Retina, 12″, Anfang 2015)
- MacBook (Retina, 12″, Anfang 2016)
- MacBook (Retina, 12″, 2017)
- MacBook Pro (13″, 2016, zwei Thunderbolt 3-Anschlüsse)
- MacBook Pro (13“, 2017, zwei Thunderbolt 3-Anschlüsse)
- MacBook Pro (13″, 2016, vier Thunderbolt 3-Anschlüsse)
- MacBook Pro (13″, 2017, vier Thunderbolt 3-Anschlüsse)
- MacBook Pro (15“, 2016)
- MacBook Pro (15“, 2017)
Potentiell interessierte Käufer müssen nun zwischen zwei Optionen wählen: Entweder investieren sie bis zu 5000 Euro (das 15″ MacBook Pr mit 2 TB SSD und 3,1 GHz Quad‑Core kostet 4.959,00 Euro) in einen tragbaren Rechner, dessen Tastatur mit einer tickenden Zeitbombe verglichen werden darf, die zwar nicht mit einer Explosion aber immerhin mit einer unbequemen Ausfallzeit zur Alltagsnervosität beiträgt, oder sie warten den Verkaufsstart einer neuen Rechner-Generation ab. Von dieser fehlt momentan jedoch noch jedes Zeichen.
Betrachtet man das Tastatur-Debakel aus dieser Perspektive, dann könnten die Auswirkungen auf Apples Umsatz wohl noch deutlich eklatanter ausfallen, als nur die Summe der arbeitsintensiven Reparaturen, die der Konzern im Laufe der kommenden Jahre kostenlos anbieten muss.
Derzeit lässt sich kein aktueller Apple-Laptop mehr guten Gewissens zum Kauf empfehlen.
Vor allem die Tatsache, dass das Serviceprogramm nur vier Jahre gültig ist, sollte selbst risikofreudige Anwender davon abhalten in ein neues MacBook zu investieren. Zwar lässt sich die Tastatur in den ersten vier Jahren ab Kauf mehrfach kostenlos austauschen (die geht natürlich immer mit einer entsprechenden Wartezeit einher) im Anschluss an die vierjährige Gnadenfrist wird Apple dann jedoch wieder die üblichen Reparatur-Kosten ansetzen, für die schon mal 500 Euro zur Seite gelegt werden können.
Natürlich ist es möglich, dass der Konzern den grundlegenden Design-Fehler der Tastatur inzwischen schon in der Fertigungskette adressiert und die aktuellen Rechner mit einem Keyboard ausliefert, das weniger reparaturanfällig als die bislang verbaute Variante ist. Kommuniziert hat Apple dazu jedoch noch nichts.
Arbeitet Apple mit neuen Teilen?
Und auch der Blick in das Geräte-Innere lässt den Schluss zu, dass Apple fast keinen Spielraum hat, um die Fehlerursache für die aussetzenden Tastaturen an der Wurzel auszumerzen. Darauf macht der iFixit-CEO Kyle Wiens aufmerksam, der die Krümel-Problematik erstmals in einer animierten Grafik visualisiert hat.
Bereits ein verschwindend kleiner Brot- beziehungsweise Sandkrümel kann dafür sorgen, dass sich einzelne Tasten nicht mehr durchdrücken lassen und entsprechend registriert werden. Hier muss dann die komplette Tastatur inklusive Geräte- Topcase und Akkueinheit getauscht werden.
Dass Apple die defekten Tastaturen durch neue, technisch verbesserte Modelle ersetzt, ist eher unwahrscheinlich. Mit Blick auf die kompakte Bauweise der Geräte hat Apple, wenn überhaupt, nur sehr geringen Spielraum für Verbesserungen. Irritierend ist jedenfalls, dass Apple in diesem Punkt bislang keine eindeutige Aussage getroffen hat. Sollte beim Austausch technisch überarbeitete Bauteile verwendet werden, dann hängt Apple diesen Umstand nicht an die große Glocke.
Schlimmer noch als die Tatsache, dass Apple das 2015 veröffentlicht dem MacBook in den vergangenen zwei Jahren (außerhalb der Garantiezeit) nur kostenpflichtig repariert hat und den frühen Käufern jetzt nur noch eine einjährige Zusatz-Sicherung gewährt ist der Umstand, dass verärgerte Nutzer, die auf macOS und einen tragbaren Rechner angewiesen Sind, keine halbwegs aktuellen Ausweichmöglichkeit haben.
Noch mal: Für alle halbwegs aktuellen Apple-Laptops, die sich im Apple Online Store und in den Filial-Geschäften Cupertinos momentan kaufen lassen, gibt es ein aktives, aber zeitlich begrenztes Reparaturprogramm! Wir können uns nicht an einen vergleichbaren Moment in Apples Firmengeschichte erinnern.