Die App als kurze Leine
Im Praxistest: Mähroboter Ecovacs GOAT G1 im Dauerbetrieb
Ecovacs, einer der weltgrößten Anbieter von Saugrobotern, ist seit kurzem auch mit einem Mähroboter auf dem deutschen Markt vertreten. Der Ecovacs GOAT G1 warb zur Markteinführung im Frühjahr mit Premium-Funktionen und einem signifikanten Komfortversprechen: Automatisches Rasenmähen ohne Begrenzungsdraht.
Durcheinander: Die Rasen-Ausgangssituation
Vom Hersteller mit dem Gesicht von Michael Ballack und Hochglanzfotos von Rasen-Rechtecken in Golfplatzqualität beworben, geht man als nativer Endverbraucher hier erst mal von einem Saugroboter für Grünflächen aus. Wie wir feststellen mussten, ist die Nutzung des GOAT G1 jedoch noch nicht wirklich mit dem „Set it and forget it“-Komfort aktueller Saugroboter zu vergleichen.
Welche Abwägungen vor der Anschaffung des 1.600 Euro teuren Gartenhelfers unbedingt in Betracht gezogen werden sollten, welche Erwartungen an den Mäher realistisch sind und auf welche Tücken es sich einzustellen gilt, haben wir in unserem mehrwöchigen Praxistest ermittelt und in den folgenden Zeilen notiert.
Die Ecovacs-App führt durch Aufbau und Erstinstallation
Das Versprechen: Mähen ohne Schnittgut
Aktueller Einsatzort des GOAT G1 ist ein nur selten besuchtes Sommerhaus in der Mitte Deutschlands, in dem üblicherweise ein- bis zweimal pro Monat nach dem Rechten gesehen wird. Wochenend-Besuche, in denen der Garten dann meist auch Zeit für das Zurechtstutzen des wuchernden Rasens einforderte.
Eine zeitintensive Pflichtaufgabe, die stets auch für mehrere Fuhren frischen Schnittgutes sorgte, die irgendwo untergebracht werden wollten. Hier lockt der GOAT G1 mit einem sehr attraktiven Produktversprechen: Einmal installiert, würde der Rasen dauerhaft auf optimale Länge getrimmt, zudem würde sich das Entsorgungsproblem von alleine lösen. Wird der Rasen kontinuierlich geschnitten, können die abgetrennten Halmspitzen schlicht auf der Wiese zurückgelassen werden und kompostieren sich selbstständig. Zwei Fliegen mit einer Klappe – zumindest in der Theorie.
Autonomes Mähen: Bevor es losgeht, sind einige Handgriffe erforderlich
Das Setup: Anfangs ist Eigenleistung gefragt
Wer jetzt jedoch davon ausgeht, den Mähroboter in Empfang zu nehmen, auszupacken, aufzuladen, mittig auf die Wiese zu setzen und diesem im Liegestuhl bei der Arbeit zuzuschauen, der hat sich geschnitten. Ehe der GOAT G1 seine erste Runde drehen kann dürfen frisch gebackene Besitzer einen guten Vormittag für die Ersteinrichtung des Gartenhelfers einplanen.
Dabei ist die Installation der Ladebasis, die mit sechs Kunststof-Bodenschrauben in der Erde verankert wird, aus zwei einfach steckbaren Modulen besteht und lediglich auf zwei Meter Platz links und rechts der Zufahrt besteht, noch die einfachste Aufgabe.
Die Ladestation wird mit 6 Bodenschrauben verankert
Anschließend gilt es gute Positionen für die so genannten Navigations-Beacons finden, die dem Mähroboter die Navigation innerhalb des Gartens ermöglichen und ihrerseits von drei Mono D Batterien mit Strom versorgt werden. Der Hersteller erklärt in diesem Dokument, wie genau sich Anzahl und optimaler Standort der benötigten Navigations-Beacons ermitteln lassen. Als einfache Faustregel gilt: Der GOAT G1 sollte überall im Garten stets mit zwei Sonden kommunizieren können, also über eine Luftlinie zu diesen verfügen, die nicht von Gebäuden oder Mauern gestört wird.
Sind die Navigations-Beacons mit den zugehörigen Bodenschrauben im Garten verankert darf damit begonnen werden den GOAT G1 zu trainieren. Hier ist manuelles Engagement gefordert, dass langjährige Saugroboter-Besitzer überraschen dürfte.
So genannte Navigations-Beacons helfen bei der Navigation
Mit dem iPhone in der Hand und direkter Bluetooth-Verbindung zum Mähroboter muss der GOAT G1 wie ein Spielzeugauto einmal durch den Garten gefahren werden und bewegt sich dabei maximal mit halber Schrittgeschwindigkeit. Während der Tour an der Gartenkante kartografiert der Roboter die Grünfläche und setzt sich die Wegpunkte, die bei späteren Fahrten durch den Garten zu Leitplanken werden.
Ist der Garten einmal umrundet und der Roboter wieder zur Station navigiert, dann geht es mit der Hinderniserkennung weiter.
Per Fernsteuerung: Manuelles Abfahren von Hindernissen und Garten
Erneut wird der Mähroboter dafür per Fernsteuerung manuell durch den Garten manövriert und umrundet nun einzelne Bäume, angelegte Teiche, große Pflanzen und Gartenmöbel, um sich so die Standorte der vorhandenen Hindernisse einzuprägen.
Sind alle No-Go-Areas umrundet, macht sich der GOAT G1 erstmals eigenständig auf den Weg und beginnt mit der Erkundung des Gartens. Erst wenn auch diese Tour abgeschlossen ist, meldet sich der Roboter als einsatzbereit in der Ecovacs-Applikation zu Wort und wartet auf den manuellen Start beziehungsweise die Anlage eines zeitgesteuerten Einsatzplans.
Die Navigations-Beacons fallen nicht großartig auf
Der Wunschrasen: Erst mal selber mähen
Der erste Versuch, den Roboter nach der Ersteinrichtung nun endlich auf das seit mehreren Wochen gewucherte Gras loszulassen, scheiterte jedoch kläglich. Der GOAT G1 verlässt seine Basisstation kurz, wirkt fünf Minuten hilflos, dreht sich orientierungslos nach links und rechts, dockt dann unvermittelt wieder an und meldet den erfolgreichen Rasenschnitt im ganzen Garten.
Hier muss man wissen: Der GOAT G1 ist mit seinem rotierenden Drei-Klingen-System dafür ausgelegt bereits kurzen Rasen kurz zu halten und nicht in der Lage, lange Grashalme einmal auf englisches Niveau zu bringen. Entsprechend kommen Käufer des Roboters nicht daran vorbei, trotz fertig installierter Mähmaschine doch noch mal selbst zum Rasenmäher zu greifen. Anschließend will dann endlich auch die Jungfernfahrt des Mähroboters gelingen. Dieser lässt sich in der App-Einstellungen „Fein“ seine Zeit und bearbeitet den 243 Quadratmeter großen Mähbereich in gemächlichen 162 Minuten.
Drei-Klingen-System auf der Unterseite des GOAT G1
Eine Tour, die von nun an täglich vormittags um 9 Uhr absolviert werden soll. Im Zeitplan der App konfigurieren wir diese, aktivieren die Tierschutzzeit in den Abendstunden, konfigurieren eine dreistündige Wartezeit, wenn es zur planmäßigen Startzeit gerade regnen sollte und warten ab was passiert. Wir haben jedenfalls nicht mehr vor den Benzinrasenmäher aus dem Schuppen zu holen.
In der Praxis: Die App als kurze Leine
Bereits während der ersten Fahrt des GOAT G1 beschäftigen wir uns mit dem Angebot der Hersteller-Applikation und prüfen die verfügbaren Konfigurationsmöglichkeiten. Der offizielle Download des Anbieters, bei dem es sich um die selbe Applikation handelt, die auch bei den Saugrobotern von Ecovacs zum Einsatz kommt, erweist sich hier leider schnell als verbesserungswürdig.
Nicht nur benötigt fast jeder Verbindungsaufbau zum Mähroboter einen zweiten Versuch, auch lässt die App viele Funktionen vermissen, die in der Kategorie der Saugroboter bereits zum Basis-Standard gehören. Dazu zählen eindeutige Fehlermeldungen (etwa: „Rasen zu Lang“ , statt der Erfolgsmeldung nach fünf Minuten Inaktivität), die nachträgliche Karten-Modifikation ohne die gesamte Karte neu erstellen zu müssen, sowie die Möglichkeit schnell in die Einstellung des GOAT G1 springen zu können.
App mit Spiel nach oben: Support-Assistent, Daten-Abfrage und Saugroboter-Fehler
Hier müssen aktuell ein Support-Assistent und ein Infofenster das zur Datenfreigabe auffordert aus dem Weg geklickt werden, der der Konfigurationsbereich geöffnet werden kann. Zur Anzeige der erweiterten Konfigurationsoptionen muss der Bildschirm dann noch einmal gewechselt werden.
Die Anwendung bietet Optionen zum Anlegen fester Mäh-Zeiten, Regen oder regennasses Gras verschieben jedoch die Einsätze des Roboters. In den Abendstunden verfügt der GOAT G1 über einen Tierschutzmodus und bietet jederzeit den Streaming-Zugriff auf die Rundumkamera, die zur Hindernis-Erkennung genutzt wird und zudem auch zur Überwachung des eigenen Gartens eingesetzt werden kann. Ein Funktion die getrost ignoriert werden kann. Der Mähroboter kann es nicht im Ansatz mit spezialisierten Überwachungskameras aufnehmen und bietet die Schutzfunktion unserer Meinung nach lediglich als nettes Gimmick, dessen ernsthaften Einsatz wir jedoch nicht in Betracht ziehen würden.
Versprechen gehalten: Selbst mähen müssen wir nicht mehr
In der Praxis: Zuverlässig im Dauereinsatz
Nachdem wir die umständliche Ersteinrichtung des GOAT G1 hinter uns gebracht und uns anschließend mit den Unzulänglichkeiten der App vertraut gemacht haben, wollten wir es dann wissen. Von nun an sollte der GOAT G1 im Gartenhaus regelmäßig den Rasen mähen, um uns dann beim Besuch der Hütte im 14-Tage-Rhythmus mehr freie Zeit und weniger Kompost-Gut zu bescheren. Wie gesagt: Wir hatten nicht vor den klassischen Rasenmäher noch mal aus der Scheune zu holen.
Die Einstellungen des GOAT G1
In Sachen Zuverlässigkeit bekommt die Maschine zehn von zehn möglichen Punkten von uns. Der tägliche Mäheinsatz startet pünktlich und sorgt zuverlässig für eine begleitende Push-Mitteilung auf dem 150 Kilometer entfernten iPhone. Hat es geregnet, wartet der GOAT G1 artig bis die Wiese wieder trocken ist. Geht der Akku zur Neige, dies ist bei unserem Rasenstück jedesmal der Fall, dann fährt der Roboter zurück in seine Hundehütte, schöpft neue Energie und setzt seine Arbeit ansprechend fort.
Von regenbedingten Einsatzverzögerungen abgesehen, mäht der GOATG G1 seit einem knappen Monat zuverlässig seine tägliche Tour, kommen wir jetzt ins Gartenhaus, finden wird den Rasen so vor, wie wird diesen nach dem ersten letzten manuellen Schnitt zurückgelassen haben. Allerdings sieht man inzwischen auch deutlich, wo während der Erstkartografie des Gartens nicht ganz sauber gearbeitet wurde. Die Ränder wuchern.
Etwas pixelig: Live-Video des GOAT G1 lässt sich jederzeit aufrufen
Zufrieden und vom erfolgreichen Einsatz des G1 motiviert haben wir uns also noch mal an das Erstellen der Gartenkarte gemacht und sind diesmal nicht nur deutlich akribischer vorgegangen, sondern haben den Mähbereich auch noch um ein Stück Garten erweitert, um das wir zuvor noch ein Bogen gemacht haben.
Lange Ladepausen, Not-Aus-PIN
Die zusätzlichen Quadratmeter haben die Gesamtfläche dann jedoch so vergrößert, dass eine Akkuladung nicht mehr für die nun insgesamt 243 Quadratmeter ausreichen wollte. Dies führt aktuell zu folgendem Verhalten des GOAT G1: Der GOAT G1 startet zum konfigurierten Zeitplan und mäht so lange, bis die Akkukapazität den Ladestopp unumgänglich macht. In der Ladestation angekommen schöpft der GOAT G1 dann jedoch nicht nur kurz Energie um sich um die restlichen 10 Quadratmeter zu kümmern, deren Behandlung noch aussteht, sondern wartet einen kompletten Ladevorgang ab, ehe auch der Restbereich noch geschnitten wird.
Dies führt in unserem Fall dazu, dass der GOAT G1 zwei Stunden unterwegs ist, sich dann zwei Stunden aufladen lässt um anschließend noch mal 20 Minuten zu fahren. Hier hätten wir uns über eine bedarfsgerechtere Nachladung gefreut.
Die Oberseite des GOAT G1: Not-Aus-Knopf und PIN-Eingabe
Auf seiner Oberseite besitzt der GOAT G1 einen großen, roten Not-Aus-Schalter. Wird dieser betätigt, führt dies dazu, dass der Mähroboter nur nach Eingabe des bei der Ersteinrichtung festgelegten PINs zum Fortsetzen seines Dienstes bewegt werden kann. Der PIN lässt sich dabei nur auf dem Roboter selbst und nicht in der App eingeben.
Dies ist uns zwar nicht passiert, sollte beim Einsatz des Mähroboters in weit entfernten Ferienhäusern aber im Hinterkopf behalten werden. Hier kommt man allein mit der App leider nicht weiter.
Ebenfalls Hand angelegt werden muss hin und wieder beim Eingang der Ladestation. Hier lässt der GOAT G1 ein Büschel Grashalme stehen, die manuell entfernt bzw. gekürzt werden müssen. Im Blick sollten auch die Messer behalten werden. Diese verlangen grundsätzlich einen Austausch nach 80 Betriebsstunden – den aktuellen Schärfegrad könnt ihr jedoch selbst prüfen und euch anschließen, je nach Zustand, auch dafür entscheiden mit den vorhandenen Klingen weiterzumähen. Zwölf Klingen kosten 15 Euro.
Im Dauerbetrieb: Produktversprechen erfüllt
Ansonsten jedoch liefert der GOAT G1 zum Verkaufspreis von 1.599 Euro genau das, was wir anfangs erwartet haben. Im Ferienhaus kann der alte Benzin-Rasenmäher jetzt in der Scheune bleiben, wir müssen bei zukünftigen Besuchen nicht mehr mähen, das Schnittgut sorgt nicht mehr für Kompost-Berge und wenn man sich schnell versichern will, dass man die Tür nicht hat offen stehen lassen, ist die Kamera-Funktion schnell aktiviert.
Dreht jetzt täglich seine Runden: Der Ecovacs GOAT G1
Zusätzliche Kosten können die Navigations-Beacons verursachen, die pro Stück 99 Euro kosten, sowie das Mobilfunk-Modul für Gärten, in denen kein WLAN-Netzwerk vorhanden ist. Dieser kostet ohne SIM-Karte ebenfalls 99 Euro.
Jedoch müssen wir auch eingestehen, dass der GOAT G1 nicht ganz so futuristisch, ganz so autonom und ganz so schnell ist, wie wir dies als von Saugrobotern verwöhnte Verbraucher erwartet haben. Die gesamte Kategorie der Mähroboter hat nach wie vor Spiel nach oben, sorgt jedoch auch auf unebenem Böden für zuverlässige Ergebnisse, ein gleichmäßiges Rasenbild und eine so große Arbeitserleichterung, dass wir der Basis-Station des GOAT G1 gerne einen Platz Mittig im Garten reserviert haben.