Angetestet: iTunes Match – Musikgenuss auf Wolke 7
Deine komplette Musiksammlung, immer und überall verfügbar (Internetzugang vorausgesetzt). Der in den USA gestartete Dienst iTunes Match verspricht genau das. Die Besonderheit: Im Gegensatz zur Konkurrenz wie beispielsweise Google Music trumpft Apple mit seinem riesigen Musikkatalog auf. Songs, die der iTunes Store bereits kennt, müssen nicht erst zeitaufwendig in die Cloud geladen werden. Stattdessen tauscht der Benutzer sozusagen die eigene Version gegen jene von Apple, kodiert in feinstem AAC mit einer Bitrate von 256 kbps. In den meisten Fällen dürfte das ein guter Deal sein, zumal viele MP3-Sammlungen, die über die Jahre aus den unterschiedlichsten Quellen herangewachsen sind, den Versionen von Apple qualitativ unterlegen sein dürften.
Vorneweg: iTunes Match steht nach wie vor nur in den USA zur Verfügung. Zur Bestellung reicht ein US iTunes Konto mit Prepaid-Guthaben nicht aus! Es wird zwingend eine US Kreditkarte mit amerikanischer Rechnungsanschrift benötigt. Auch der Umweg über einen US Paypal Account führt nicht zum Erfolg, sofern hier keine US Kreditkarte hinterlegt ist. Dank eines glücklichen Umstands kamen wir dennoch in den Genuß von iTunes Match und möchten hier kurz von den ersten Eindrücken berichten.
Zum Preis von 24,99$ pro Jahr kann das iTunes Match Abo in den USA erworben werden. Direkt nach dem Kauf beginnt iTunes automatisch damit, die eigene Musiksammlung zu analysieren und abzugleichen. Dieser Vorgang ist sehr CPU-intensiv, der Lüfter des MacBook Air lief die meiste Zeit auf hohen Touren. Bei der Analyse werden nicht nur reine ID3 Tags überprüft. Wer also glaubt, er könne den Gesang seiner kleinen Schwester aufzeichnen, als „Madonna – Celebration“ tarnen um damit die iTunes-Erkennung zu überlisten, wird kläglich scheitern. In unserem Fall wurden von 6000 Songs ca 70% erkannt. Die restlichen, nicht erkannten Songs werden im letzten Schritt hochgeladen (bis zu einer Maximalanzahl von 25.000 hochgeladenen und gefundenen Songs). Die komplette Prozedur erstreckte sich auf ca 7-8 Stunden.
In iTunes selbst sollte man sich für eine bessere Übersicht die Ansicht anpassen. Es lässt sich eine neue Spalte einblenden mit dem Namen „iCloud Status“. Diese gibt Informationen über den Status jedes einzelnen Songs (Gefunden, Übertragen, Gekauft).
Songs mit einer niedrigeren Bitrate als 96 kbps werden von iTunes Match ignoriert. Dem lässt sich durch ein Re-Encoding mit höherer Bitrate entgegenwirken. Einzelne Songs dürfen eine Dateigröße von 200 MB nicht überschreiten, sonst werden sie ebenfalls ignoriert.
Nachdem der komplette Match-Prozess durchgelaufen ist, ändert sich zunächst gar nichts an der lokalen iTunes Bibliothek. Sie enthält weiterhin die eigenen Versionen. Mithilfe einer intelligenten Playlist kann man nun alle Songs filtern, die iTunes in einer besseren Qualität vorhält als die eigene. Hierfür müssen folgende Parameter als Filterkriterien gewählt werden:
Die Songs aus dieser Playliste kann man nun bei Bedarf physikalisch löschen. Wichtig ist hierbei, daß sie nicht gleichzeitig aus der Cloud gelöscht werden. Das entsprechende Häkchen darf im Löschdialog nicht gesetzt werden, sonst verschwinden die Songs komplett und für immer. Hat man dies erledigt, erscheint in der Playlist neben jedem einzelnen Song das kleine Cloud-Symbol. Darüber lassen sich die Songs erneut herunterladen, diesmal aber in der AAC-Version von Apple (256 kbps). In den Informationen bzw. Tags eines heruntergeladenen iTunes Match Songs ist sowohl der Name des iTunes Account als auch der Name der Rechnungsanschrift des hinterlegten Zahlungsmittels fest eingebrannt. Falls man also das Glück hatte, an Adresse und Kreditkartendaten eines Freundes oder Verwandten aus den USA zu kommen, sollte man vor dem Download der Songs die Rechnungsanschrift wieder auf den eigenen Namen ändern.
Auf dem iPhone selbst hat man in den Einstellungen die Wahl, die iPod-Bibliothek auf iTunes Match umzustellen. Hierbei wird gewarnt, die komplette Bibliothek des Geräts würde mit iTunes Match ersetzt. Dies ist zwar korrekt, allerdings bleibt sämtlicher Content erhalten, der bereits physikalisch (=offline) auf dem Gerät vorhanden ist. Der Anwender hat die Wahl, ob die iPod App die komplette Bibliothek aus der Cloud angzeigen soll oder nur die bereits geladenen Titel. Zusätzlich kann in den Store-Einstellungen festgelegt werden, ob das mobile Datennetzwerk (GPRS/EDGE/UMTS) für iTunes Match verwendet werden darf oder nicht. Es handelt sich hierbei um den gleichen Schalter, der auch für den automatischen Download von gekauften Apps und Büchern auf mehreren Geräten verantwortlich ist. Hört man beispielsweise unterwegs eine Playlist, aus der einige Songs bereits auf dem Gerät sind und andere nur in der Cloud, so werden diese bei aktiviertem Schalter auch unterwegs nachgeladen. Hier ist natürlich ein erhöhter Datenverbrauch zu beachten, der vor allem bei kleineren Datentarifen schnell das monatliche Limit erschöpfen kann. Deaktiviert man den Schalter, werden die Tracks aus der Cloud beim Hören autmatisch übersprungen.
Das iTunes Store Konzept ist nach wie vor für die Verwendung eines einzelnen Accounts ausgelegt. Wechselt man den Store Account, wie in unserem Fall vom amerikanischen auf den deutschen, wird iTunes Match sofort deaktiviert und die iPod Anwendung verhält sich gewöhnungsbedürftig. Es verschwinden unmittelbar sämtliche Playlists, auch jene mit Songs, die nach wie vor auf dem Gerät sind. Die Tracks an sich bleiben erhalten, sind aber nur noch auswählbar via ‚Album‘, ‚Interpreten‘ oder ‚Titel‘. Wenn man sein Hörverhalten an Playlists angepasst hat ist das ein sehr lästiger Umstand. Beim Wechsel zurück zum US-Account bleibt der iTunes Match Schalter zunächst deaktiviert. Man muß ihn explizit bei jedem Account-Wechsel erneut einschalten in den Einstellungen. Beim Start der iPod App werden anschließend diverse Informationen wieder nachgeladen, wie zum Beispiel die verloren gegangenen Playlists. Dieser Prozess nimmt selbst im UMTS-Netz einige Zeit in Anspruch. Abgesehen vom etwas lästigen Accountwechsel bleibt positiv zu erwähnen, daß Playlists via iTunes in the cloud über mehrere Rechner und Devices synchron gehalten werden.
Wer seine komplette Musik-Bibliothek mit den Versionen des iTunes-Stores ersetzt sollte bedenken, daß die Gesamtgröße auf dem Datenträger in der Regel deutlich wachsen wird. Beispielsweise wurde unser selbst angefertigter CD-Rip von INXS‘ „Need you tonight“ von ursprünglich 4,1 MB (MP3|192 kbps|VBR) auf 7,1 MB (AAC|256 kbps|CBR) aufgeblasen. Hat man die komplette Musik auf SSD gespeichert, wie beispielsweise bei Einsatz eines MacBook Air, kann man damit schnell ans Limit der Platte stoßen.
Insgesamt fällt das Fazit für iTunes Match sowie iTunes in the cloud sehr positiv aus. Es bleibt zu hoffen, daß dieser Dienst so schnell wie möglich auch nach Deutschland kommt. Wenn man allerdings bedenkt, welch‘ große Schwierigkeiten selbst YouTube, Spotify und Konsorten in Deutschland haben (Stichwort GEMA & Musikindustrie), stimmt das eher pessimistisch. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.