Im Interview:
Jony Ive spricht über seine Arbeit bei Apple, Steve Jobs und die Zukunft
Die britische Sonntagszeitung Sunday Times hat ein umfassendes Interview mit Apples Designchef Jony Ive veröffentlicht. Das Interview lässt sich inzwischen in vollem Umfang auch online nachlesen. Ive spricht diesem Interview erstmals seit er vor 20 Jahren zu Apples Designchef gekürt wurde ausführlich über seine Arbeit. Bei Apple begonnen hat der Brite im Jahr 1992, zuvor war er bei einer Design-Agentur tätig, die im Auftrag von Apple gearbeitet hat.
Eines der ersten Projekte von Ive war im Jahr 1993 das Newton Messagepad, ein funktionsreicher, aber wenig attraktiver Handheld-Computer mit Stiftbedienung. Der Durchbruch gelang Ive gemeinsam mit Steve Jobs im Jahr 1997 mit den bonbonfarbenen ersten iMacs, die von den damals ähnlich bunten ersten iBooks (seinerzeit war dies noch die Bezeichnung für Apples Consumer-Notebooks) gefolgt wurden.
Ein Meilenstein im Vorfeld von den ebenfalls von Ive gestalteten Apple-Erfolgen iPhone und iPad war sicher der im Jahr 2001 erschienene erste iPod. Nicht nur der MP3-Player mit seiner einzigartigen Drehrad-Bedienung sondern auch die damit ausgelieferten weißen Ohrhörer prägten in den Jahren darauf mehr und mehr das Bild der Großstädte.
Arbeit hinter blickdichten Scheiben
Ive arbeitet in einem abgeschotteten Designstudio auf dem Apple-Firmengelände in Cupertino. Von außen kaum von den anderen Gebäuden mit der Adresse 1 Infinite Loop zu unterscheiden, sind hier die Glasfronten jedoch mit undurchsichtigen Scheiben ausgestattet und Zutritt haben neben Ive und seinen engsten Mitarbeitern nur Apples Top-Manager. Dort stehen dem nur rund 15 Mitarbeiter großen Team für die Prototypenfertigung sogar eigene CNC-Maschinen zur Verfügung.
Bevor er sich an das Design eines Produkts mache, so Ive, stelle er sich vor, um was genau es sich handle und was es am Ende tun solle. Vor diesem Hintergrund investiert er auch enorm viel Zeit in die einzelnen Details, so habe er sich beispielsweise monatelang mit dem Fuß des iMac befasst. Es sei außerordentlich schwer, dergleichen zu entwerfen – Dinge, die sich so gut in das Gesamtbild einfügen, dass man sie eigentlich gar wahrnimmt.
Herausfinden, was als nächstes kommt
Ive spricht in dem Interview auch viel über Steve Jobs, die beiden verband neben der Arbeit auch eine freundschaftliche Beziehung. Jobs innovativer Geist ist auch heute noch überall bei Apple präsent, so mahnt beispielsweise eine Wandbeschriftung in der Firmenzentrale, sich nicht auf den Lorbeeren eines abgeschlossenen und erfolgreichen Produkts auszuruhen, sondern stets die nächste Herausforderung zu suchen.
So unterschiedlich Jobs und Ive als Personen auch waren, bei gemeinsamen Projekten ergänzten sich sich perfekt:
When we were looking at objects, what our eyes physically saw and what we came to perceive were exactly the same. And we would ask the same questions, have the same curiosity about things.
Ive nimmt Steve Jobs auch gegen die häufige Kritik an seinem Führungsstil in Schutz. Es sei so viel über den Apple-Gründer geschrieben worden, und er erkenne seinen Freund darin zumeist nicht wieder. Natürlich habe er eine sehr exakte Vorstellung von den Dingen gehabt und alles ständig und immer wieder hinterfragt. Aber er hätte gewagte und großartige Ideen gehabt, dazu stets den Anspruch, immer weiter zu gehen. Selbst wenn die Ideen ausblieben sei er positiv gestimmt gewesen und davon überzeugt, dass er am Ende doch etwas Großartiges erschaffen würde.
Ive äußert sich auch zu der oft vorgetragenen Kritik an Apples Preispolitik. Einerseits hebt er auf die Qualität der Produkte und den damit verbundenen Wiederverkaufswert ab, des Weiteren gibt er zu bedenken, dass es durchaus aufwändig und konstenintensiv sei Produkte zu entwickeln, die nicht nur das Leben verändern, sondern die sich zuvor auch noch niemand vorstellen konnte.
Auf die Tatsache angesprochen, dass sein Design oft kopiert werde, zeigt sich Apples Designchef leicht erbost. Es sei schlicht Diebstahl und es ginge hier nicht nur um das Kopieren eines Designs, sondern Tausende von Stunden harter Arbeit, in denen die kopierten Produkte entstanden seien.
Kein Kommentar zur iWatch
Mit Blick auf zukünftige Produkte, insbesondere eine Smartwatch aus dem Hause Apple, hält sich Ive bedeckt. „Natürlich gibt es Gerüchte die besagen, dass wir an dergleichen arbeiten und natürlich werde ich nichts dazu sagen“ antwortet er, und vergleicht die Spekulationen mit einem Schachspiel.
Ive gibt sich zuversichtlich, wenn es um die Zukunft von Apple ohne Steve Jobs geht. Aus technologischer Sicht stehe eine bemerkenswerte Zeit bevor, in der eine Menge neuer Produkte auf uns warten. Man solle nur bedenken, welche Möglichkeiten die Technik uns bislang bereits gebracht habe, und dies sei lediglich ein Bruchteil davon, was wir noch erwarten dürfen.
10 Fragen, die man Jony Ive schon immer stellen wollte
Im Rahmen des Interviews hat die Sunday Times noch zehn kurze Fragen an Jonathan Ive gestellt:
- Nennt dich irgend jemand „Sir Jonathan“? Nein.
- Was empfindest du, wenn du als „wichtigster lebender Engländer“ bezeichnet wirst? Das ist Quatsch.
- Du bist jetzt 47. Sorgst du dich in einer derart jungen Branche nicht, dass du zum alten Eisen gehörst? Möglicherweise sollte ich.
- Du wirst als Minimalist bezeichnet, ist da was dran? Das beschreibt weder was wir tun, noch wo unsere Ziele stehen und es ist sicherlich nicht minimalistisch, dahin zu gelangen, wo wir jetzt sind. Um ein perfektes, einfaches und intuitives Produkt zu schaffen, mit dem man eine emotionale Verbingung eingeht, bedarf es unglaublich viel Zeit.
- Auf welches deiner Produkte bis du besonders stolz? Immer auf das, was ich zuletzt geschaffen habe.
- Was ist so toll an der Farbe Weiß? Es ist ein wenig paradox. Weiß ist eigentlich eine Nicht-Farbe, neutral und langweilig gleichmäßig. Aber es liegt auch Gewicht und Bedeutung darin. Zudem ist es ausgesprochen schwer, Produkte in Weiß zu gestalten. Es ist eine extravagante und unversöhnliche Farbe.
- Was würdest du gerne machen, was du bisher noch nicht getan hast? Das was wir im Moment machen, ich kann darüber allerdings nichts erzählen.
- Schauen wir wegen dir jetzt häufiger auf irgendwelche Bildschirme? Ich schon, aber es zwingt dich ja niemand.
- Wenn du Apple für ein Jahr verlassen würdest, was würdest du tun? Etwas für meine Freunde entwerfen. Mein Vater war ein fantastischer Handwerker, ein großer Silberschmied. Ich würde wohl etwas mit Silber anfangen.
- Worin bist du furchtbar schlecht? Mathematik.